Storms Grab
Am 4. Juli 1888 verstarb Theodor Storm in seinem Haus in Hademarschen (Holstein). Die Beisetzung fand drei Tage später in Husum statt, und zwar auf dem im Osten der Stadt gelegenen St.-Jürgen-Friedhof; dort hatte zu Anfang des 19. Jahrhunderts Storms Urgroßvater Friedrich Woldsen († 1811) eine Gruft anlegen lassen. Sie war zunächst für die Aufnahme von Särgen aus dem Woldsen’schen Erbbegräbnis in der Husumer St.-Marien-Kirche bestimmt, dieses musste anlässlich des Abbruches der Kirche 1807/08 aufgegeben werden.
Das Grabmal auf dem St.-Jürgen-Friedhof birgt eine 3,20 Meter hohe Kammer, deren oberirdisch liegender Gewölbeabschluss durch Granitplatten ummantelt ist; auf ihnen liegen vier aus der alten St.-Marien-Kirche übernommene sandsteinerne Grabplatten.
In der Gruft sind 36 Mitglieder der engeren und weiteren Familie bestattet. Am 24. Mai 1865 fand hier Storms erste Frau Constanze, geb. Esmarch, ihre letzte Ruhe. An Eduard Mörike schrieb Storm am 3. Juni 1865: »Nachdem ich mit Freundeshilfe sie […] selbst in ihren Sarg gelegt, wurde sie […] von den Mitgliedern meines Gesangsvereins nach unserer Familiengruft getragen; als die neugierige Stadt erwachte, hatte ich schon all mein Glück begraben.« Auch Storms zweite Frau Dorothea, geb. Jensen († 1903), liegt in der Storm-Woldsen-Gruft.
Theodor Storms Beisetzung fand am 7. Juli 1888 unter großer öffentlicher Beteiligung statt. Sie wurde jedoch nicht durch einen Geistlichen begleitet, dies entschied die Familie im Sinne der Schlussverse von Storms Gedicht Ein Sterbender (1863):
Auch bleib der Priester meinem Grabe fern;
Zwar sind es Worte, die der Wind verweht;
Doch will es sich nicht schicken, daß Protest
Gepredigt werde dem, was ich gewesen,
Indes ich ruh’ im Bann des ew’gen Schweigens
Der Verlust Constanzes warf Storm in eine existenzielle Krise. »Einsamkeit und das quälende Rätsel des Todes« lasteten schwer auf ihm (an Mörike, 3.6.1865). Vom Christentum und der christlichen Hoffnung auf ein jenseitiges Leben hatte Storm sich abgewandt; zugleich ringt er verzweifelt um ein Wiedersehen mit der Geliebten nach dem Tod. In dieser Situation entstand der Gedichtzyklus Tiefe Schatten, in dem es heißt:
Markverzehrender Hauch der Sehnsucht,
Betäubende Hoffnung befällt mich,
Aber ich raffe mich auf,
Dir nach, dir nach;
Jeder Tag, jeder Schritt ist zu dir.
Doch, unerbittliches Licht dringt ein;
Und vor mir dehnt es sich,
Öde, voll Entsetzen der Einsamkeit;
Dort in der Ferne ahn ich den Abgrund;
Darin das Nichts. –
Die Lösung des Konfliktes sah Storm in der Hinwendung zu einem bewussten und tätigen Leben im Diesseits:
Aus dem seligen Glauben des Kreuzes
Bricht ein andrer hervor,
Selbstloser und größer.
Dessen Gebot wird sein:
Edel lebe und schön,
Ohne Hoffnung künftigen Seins
Und ohne Vergeltung,
Nur um der Schönheit des Lebens willen.
Text: Holger Borzikowsky (1947–2015)