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16. März – 30. April 2024

Di, Do, Fr u. So 14–17 Uhr | Sa 11–17 Uhr 

| 16. März – 30. April 2024:
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Schloss vor Husum

»Die Stadt liegt in der Nähe der Nordsee, an der einen Seite strecken sich die ungeheuren Wiesenflächen der Marschen, an der andern waren in meiner Jugend noch ziemlich große, jetzt zum Theil urbar gemachte Haiden. [...] Die Stadt trug derzeit noch ein ziemlich alterthümliches Gepräge, viele Häuser noch mit Treppengiebeln, wie solcher Weise noch das alte St.-Jürgenstift steht. In dem dicht neben der Stadt liegenden alten herzoglichen Schloß war der große Rittersaal voll lebensgroßer Fürsten-, Ritter- und Edelfrauen-Bilder. Dies Alles wirkte auf mich ein«, schrieb Theodor Storm am 2. März 1873 an die österreichische Schriftstellerin Ada Christen über seine Geburtsstadt Husum. Und im gleichen Jahr nennt Storm in einer autobiographischen Skizze ein weiteres Mal den Rittersaal des Husumer Schlosses als eine der Stätten, an denen er als Kind »starke Eindrücke« empfangen habe (Brief v. 13/21. August 1873 an den österreichischen Literaturkritiker Emil Kuh).

Das »Schloss vor Husum«, so wird es seit dem 19. Jahrhundert bezeichnet, ließ Herzog Adolf von Schleswig-Holstein-Gottorf 1577–1582 nördlich der Stadt errichten; heute ist es eine vom Stadtgebiet umschlossene ›Exklave‹ des Kreises Nordfriesland.

War das im Stil der niederländischen Renaissance errichtete Schloss ursprünglich Stützpunkt der herzoglichen Verwaltung und Rechtsprechung, so wurde es im 17. Jahrhundert Sitz der Gottorfer Herzoginnenwitwen und entsprechend ausgebaut. Zugleich wurde von ihm aus das Amt Husum verwaltet.

Seit 1721 war das Schloss Besitz der dänischen Könige, nachdem – als Folge des Nordischen Krieges – die Gottorfer aus dem Herzogtum Schleswig, zu dem das Amt Husum gehörte, vertrieben worden waren.

In der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts verfielen der Bau und seine aus der Herzogszeit stammende Einrichtung zusehends. Durch einen weitgreifenden Umbau 1751/52 im Sinne barocker Gestaltungsprinzipien verlor das Schloss seinen Renaissancecharakter, sein Fortbestehen war jedoch letztlich nunmehr gesichert. Ein großer Teil der Ausstattung wurde verkauft. Nach den Umbaumaßnahmen enthielt das Schloss die königlichen Staatsräume sowie die Amtsverwaltung und die Wohnung des Amtmannes. Nachdem 1867 aus den Herzogtümern Schleswig und Holstein die preußische Provinz Schleswig-Holstein gebildet worden war, beherbergte es die Verwaltung des neu geschaffenen Kreises Husum, das Amtsgericht (seit 1873) und die Wohnung der Landräte. 1919 erwarb der Kreis das Schloss vom preußischen Staat. Verwaltungsmittelpunkt des 1970 durch Zusammenlegung der Kreise Südtondern, Husum und Eiderstedt geschaffenen Kreises Nordfriesland war das Schloss noch bis 1972.

In den Folgejahren wurde das seit dem Ende des 18. Jahrhunderts immer wieder baulich veränderte Husumer Schloss in jenen Zustand zurückgebaut, den es 1751/52 erhalten hatte. Das Hauptgebäude, das einstige »Corps de Logis«, dient seit 1977 in seinen wesentlichen Teilen musealen Zwecken.

Reminiszenzen an das Schloss und seinen Rittersaal verarbeitete Theodor Storm in seiner 1861 in Heiligenstadt verfassten Novelle Im Schloss. Die Gemäldegalerie im Saal und der dort ebenfalls befindliche Prachtkamin aus der Zeit um 1615 mit seinem Hauptrelief aus Alabaster »Der Kampf des Lebens gegen den Tod« sind für Storm Symbole der Vergänglichkeit und Vergeblichkeit menschlichen Tuns, die Porträts adliger aus einer fernen Zeit herüberblickenden Personen verkörpern zugleich die in Storms Vorstellung zu überwindenden Schranken der ständischen Gesellschaft. (Der Prachtkamin des Rittersaals befindet sich seit 1919 in Berlin, Bode-Museum. Im Husumer Schloss steht seit 1992 eine Kopie.)

1873 wurde das Amtsgericht des Amtsrichters Theodor Storm aus dem Stadtgebiet in das Husumer Schloss verlegt. Storm pflegte freundschaftliche Verbindungen mit dem Landrat Ludwig zu Reventlow und dessen Ehefrau Emilie. Es fanden gegenseitige Besuche im Schloss und in Storms Wohnhaus in der Wasserreihe statt, die Storm veranlassten, Emilie zu Reventlow eine Handlaterne zu schenken, der er das folgende Gedicht beifügte:

Laterne, Laterne!
Sonne, Mond und Sterne,
Die doch sonst am Himmel stehn,
Lassen sich heut nimmer sehn;
Zwischen Wasserreih’ und Schloß
Ist die Finsternis so groß,
Gegen Löwen rennt man an,
Die man nicht erkennen kann!

Kleine freundliche Latern,
Sei du Sonne nun und Stern;
Sei noch oft der Lichtgenoß
Zwischen Wasserreih’ und Schloß
Oder – dies ist einerlei –
Zwischen Schloß und Wassereih’!

Mit den »Löwen« sind zwei sandsteinerne wappenhaltende Löwen gemeint, die damals an einem Eingang des Schlossgebäudes aufgestellt waren, heute jedoch – historisch korrekt – am Beginn der Auffahrt zum Schlosshof postiert sind.

Text: Holger Borzikowsky (1947–2015)