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Zauberhaft: Storms »Immensee« im Papiertheater von Ulrike Richter


»Wenn Ulrike Richter da ist, beginnt die Sommersaison im Storm-Haus«, verkündete Christian Demandt strahlend. Die Leipziger Sängerin ist im Laufe der Jahre mehrmals mit ihrem Papiertheater zu Gast im Viola-tricolor-Zimmer gewesen, zuletzt 2023 mit ihrer Adaption von Heinrich Heines Atta Troll. Auf mehrfach geäußerten Wunsch hin hat sie nun wieder die Reise nach Husum unternommen, um Theodor Storms Novelle Immensee auf ihrer Bühne lebendig werden zu lassen.

»Wenn die Menschen im 19. Jahrhundert etwas erleben wollten, mussten sie weit reisen oder selbst etwas machen«, erläutert Ulrike Richter den Entstehungshintergrund des Papiertheaters und ergänzt anschaulich: »Es funktionierte wie das Fernsehen des 19. Jahrhunderts.« Damals handelte es sich um ein Vergnügen des bürgerlichen Salons, mit dem die Menschen die Geschichten nach Hause holten. Ulrike Richter aber geht es nicht darum, diese Tradition lediglich historisch nachzuspielen, sondern sie interpretiert Immensee in Text, Bild und Musik zugleich für unsere Zeit, was ein Gutteil des Faszinosums ihrer großen Kleinkunst ausmacht.

Der Text, dessen Struktur an sich schon durch Gedichte getragen ist, sei wie geschaffen für das Papiertheater, so Ulrike Richter, der das Publikum ihre Begeisterung für Storms frühes Werk und die musikalische Qualität seiner Sprache sofort anmerkt. Behutsam hat sie die Novelle gekürzt und Gedichtvertonungen des 19. Jahrhunderts, damals arrangiert für das Klavier, für ihre Hakenharfe umgesetzt. Selbstverständlich durfte da Storms Lied des Harfenmädchens nicht fehlen, das sie mit einer Melodie von Robert Schumann unterlegt. 

Die Grafikerin Paula Richter fertigte 13 großformatige Schwarz- Weiß-Bilder an, die auf einer Tapetenrolle hintereinander abgerollt werden, um Reinhardts Rückschau, aus der die Novelle entsteht, zu veranschaulichen. Durch eine gezielte Beleuchtung der als Silhouetten konzipierten Figuren vor dem Hintergrund der auf die wesentlichen landschaftlichen Details konzentrierten Bilder entsteht ein reizvolles Schattenspiel. Vom Holzrahmen, in den die Bilderrolle eingespannt ist, bis zum dunkelblauen Vorhang ist alles handgemacht.

Eineinhalb Jahre hat es gedauert, Immensee für das Papiertheater zu entwickeln, mit dem Ziel, den Novellentext optisch abzubilden und durch den gezielten Einsatz ausdrucksstarker Rezitation, unterbrochen von 21, meist sehr kurzen, Liedeinlagen auf der Hakenharfe, die erzählte Welt neu erstehen zu lassen. Das ist Ulrike Richter zum Auftakt der Sommersaison im Storm-Haus stimmungsvoll gelungen.
 

Anne Petersen, 10.6.2024

Diesen Bericht finden Sie auch in unseren Mitteilungen aus dem Storm-Haus 37 (2024)